Der Takt (Versmaß, Metrum) macht den Limerick
Das Grundgerüst ist Limerick-Kennern bekannt:
Der Limerick hat fünf Verse mit dem Endreimschema AABBA.
Nach dieser Formulierung wäre der folgende fünfzeilige Prosatext ein Limerick:
A (06) Heimat liegt mir im Blut.
A (10) Deshalb nehme ich jetzt wieder den Hut
B (08) und verlass freudig die Fremde
B (09) mit nur einem einzigen Hemde.
A (10) Zurück nach Berlin, und das ist so gut.
Dass solche Endreim-Prosaverse keine Limericks sind, ist zwar unstrittig. Doch
wird leider per Patentrezept suggeriert, man könne aus dem obigen 6-10-8-9-10-Silben-Fünfzeiler ganz einfach einen perfekten Limerick machen.
Das häufigste Taktschema lautet:
A-Verse müssen 9 Silben enthalten, B-Verse 6 Silben.
Verfährt man so, dann entsteht zum Beispiel nachfolgender „Limerick“:
A (9) Heimat, oh die liegt mir so im Blut.
A (9) Deshalb nehm’ ich jetzt wieder den Hut
B (6) und verlass die Fremde
B (6) mit dem einzig Hemde.
A (9) Nach Berlin zurück, das tut sehr gut.
Nun stimmt die Silbenzahl hundertprozentig. Und tatsächlich haben sich einige Fünfzeiler-Verse in Limerickverse gewandelt. Aber leider nicht alle! Und der Fünfzeiler ist Fünfzeiler geblieben. Soll ‘s ein Limerick werden, müssen alle fünf Verse im Metrum stimmen. Zwar ist formal alles in Ordnung: Die A-Verse geben sich als dreifüßige Anapäste und die B-Verse als zweifüßige Anapäste.
Zur Erinnerung: Der Versfuß Anapäst hat den Takt unbetont–unbetont–betont (v v –).
3-füßiger Anapäst, 3 Hebungen Heimat, oh die liegt mir so im Blut.
3-füßiger Anapäst, 3 Hebungen Deshalb nehm’ ich jetzt wieder den Hut
2-füßiger Anapäst, 2 Hebungen und verlass’ die Fremde
2-füßiger Anapäst, 2 Hebungen mit dem einzig’ Hemde.
3-füßiger Anapäst, 3 Hebungen Nach Berlin zurück, das tut sehr gut.
Wenn Sie die fünf Zeilen im Anapäst-Betonungstakt (Versmaß, Metrum) flüssig und
laut lesen, merken Sie, welche Hebungen falsch sind, also mit der beim Sprechen üblichen Betonung (Hebung) nicht übereinstimmen. Füllwörter, auch Geschlechts-, Verhältnis- und Bindewörter wird man ohne besonderen Grund
nicht betonen. Und bei mehrsilbigen Wörtern muss man die dem Wort eigentümliche sinntragende Hebung (Betonung) beachten. Man sagt niemals Fremde und spricht auch nicht vom Hemde.
Falls Sie sich über die richtige Betonung eines mehrsilbigen Worts nicht im
Klaren sind, sollten Sie in einem Rechtschreibwörterbuch (z.B. Duden) nachschlagen. Auf jeden Fall müssen Hebung im
Limerick-Versfuß und die beim Sprechen übliche Wortbetonung übereinstimmen. Schon ein einziger Betonungsfehler wertet den Beinahe-Limerick zum Fünfzeiler ab.
Nach erneuter Korrektur ist endlich ein formal korrekter Limerick entstanden,
dem die Andeutung des Berliner Dialekts auch noch das erwünschte Berlin-Flair mitgibt:
Ja det Heimweh, det liegt mir in ‘t Blut.
Darum nehm ick jetzt wieder den Hut
komm nach Haus aus der Fremde
mit jetzt nur noch een Hemde.
Schnell zurück nach Berlin – det tut jut!
Wenn Sie die Silben der Endfassung durchzählen, kommen Sie auf 9, 9, 7, 7, 9
Silben in den fünf Versen. Dass es bei den B-Versen sieben Silben geworden sind, liegt an den unbetonten Endsilben am Schluss der Verse, die bei Bedarf angehängt werden dürfen. Sie hätten allerdings auch Fremd’ und Hemd sagen können, um bei 6 Silben zu bleiben. Für „Einheimische“ ist aber Hemde typisch.
Ergänzend sei noch angemerkt, dass für den Limerick der
Anapäst-Takt charakteristisch ist, so dass keine anderen Versfüße – Jambus, Trochäus oder Daktylus – verwendet werden sollten.
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